7. Mai 2024

Verwesungsstörungen auf Friedhöfen

Das Hamburger Abendblatt führte ein Interview mit dem entera-Geschäftsführer Dr. Michael C. Albrecht zum Thema “Verwesungsstörungen auf Friedhöfen”. Das Interview mit dem dazugehörigen Artikel erschien am 17. April 2024. Beide Texte liegen hinter der Bezahlschranke.
Verwesungsstörungen auf dem Friedhof
Frage:  Wie häufig kommen Zersetzungsstörungen bei Leichen in Deutschland vor? Auf wie viel Prozent der Friedhöfe gibt es solche Fälle?


Albrecht: Es gibt keine fundierten Erhebungen zum Vorkommen von Verwesungsstörungen, weder auf Landesebene noch auf Bundesebene. Lediglich eine im Jahr 2001 landesweit durchgeführte Untersuchung in Baden-Württemberg ergab, dass fast 40 % der beteiligten Gemeinden und Städte von sich aus angaben, Verwesungsprobleme auf den Friedhöfen zu haben. Begleitende Untersuchungen zur Situation auf den Friedhöfen wurden jedoch nicht durchgeführt.
 
Fragen: Sind solche Fälle auch aus Schleswig-Holstein, aus den Kreisen Pinneberg und Segeberg bekannt?

Albrecht: Da ich bisher keine Untersuchungen in den Kreisen Pinneberg und Segeberg durchgeführt habe, sind mir keine Fälle bekannt. Da heißt nicht, dass es diese Fälle nicht gibt. Generell werden aber auch keine stichprobenartigen Untersuchungen durchgeführt.
 
Frage: Um Aufregungen zu vermeiden: Das Vorkommen von Zersetzungsstörungen bedeutet nicht, dass ein ganzer Friedhof für Sargbestattungen ungeeignet ist. Ungeeignet für Leichenverwesung sind nur Teilflächen, oder?

Albrecht: Verwesungsstörungen müssen nicht in jedem Fall mit der Eignung des Friedhofs zusammenhängen, denn Grababdeckungen, Sargausschlag mit Folie, übermäßiges Gießen oder Kunstfaserbekleidung der verstorbenen Person können auch auf bodenkundlich geeigneten Standorten Verwesungsstörungen verursachen.
 
Frage: Was sind die hauptsächlichen Ursachen für solche Zersetzungsstörungen? Warum sind einige Flächen ungeeignet für Erdbestattungen?
Albrecht: Es gibt Friedhöfe, die an ungeeigneten Standorten angelegt worden sind, wo z. B. das Grundwasser ganzjährig zu hoch steht und den Verwesungsprozess stört. Ob diese Situation auf dem gesamten Friedhof auftritt, gilt es dann zu untersuchen. Auch auf tonreichen Böden gibt es oftmals Probleme, hier kann jedoch über die Beisetzungstiefe reguliert werden. Die Nichteignung ergibt sich in beiden Fällen aus der verringerten Sauerstoffversorgung für den mikrobiologischen Abbauprozess des Leichnams.
Den größten Einfluss haben folgende Faktoren: ganzflächige Grababdeckungen, Sargausschlag mit Folie, übermäßiges Gießen oder Kunstfaserbekleidung. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass der natürliche Abbauprozess von Verstorbenen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit eine besondere Herausforderung darstellt.
 
Frage: Wie geht man mit ungeeigneten Flächen um? Können sie saniert werden? Oder wird in diesem Bereich einfach auf Erdbestattungen mit Sarg verzichtet?

Albrecht: Eine Sanierung ist immer die zweitbeste und teuerste Variante, weil es schwierig ist einen ungeeigneten Standort so weit zu verbessern, dass er dann geeignet ist.
Ein Sanierungsverfahren wird von Protempra aus Norwegen angeboten, mit dem es aber noch keine Erfahrungen in Deutschland gibt.
https://www.protempra.com/
 
Frage: Wie setzt sich ein für Leichenverwesung idealer Friedhofsboden zusammen?

Albrecht: Wenn wir als Haupteinflussfaktor den Sauerstoff sehen, dann gestaltet sich ein mittelsandig bis feinkiesiger Boden als optimal.
 
Frage: Wurden in den vergangenen 150 Jahren Flächen, die für Friedhofszwecke genutzt werden sollten, vorher geologisch auf ihre Eignung untersucht? Und wie ist es heute?

Albrecht: Die geologische Untersuchung ist nicht so relevant, genauso wenig wie eine Baugrunduntersuchung. Vielmehr ist es wichtig, eine bodenkundlich-hygienische Untersuchung. Es gibt in der Tat seit mehr als 150 Jahren bodenkundliche Untersuchungen, die auf Friedhöfen durchgeführt wurden. Leider nicht flächendeckend.
Als beratender Ingenieur führe ich die Untersuchungen seit über 30 Jahren durch.